Kostenpflichtige Corona-Tests: Ein Fehler mit gefährlichen Folgen Mehr Impfungen, das sollte das Ende der Gratis-Corona-Tests bringen. Kontrollverlust ist die Folge. Gut, dass die Gesundheitsminister zumindest für Pflegeheime umdenken.

Ein Kommentar von Sasan Abdi-Herrle

5. November 2021, 14:34 Uhr

© Peter Kneffel/dpa; Philipp Reiss/plainpicture

Karl Lauterbach bleibt dabei: Die Abschaffung der kostenfreien Corona-Schnelltests hält der SPD-Gesundheitspolitiker für eine gute Idee. Das hat Lauterbach immer wieder gesagt, zuletzt am Donnerstagabend bei Maybrit Illner. Doch er liegt - so wie Bund und Länder, die den Schritt im Sommer beschlossen hatten - in diesem Fall falsch.

Für das Ende der kostenfreien Tests sprachen im Wesentlichen zwei durchaus plausible Überlegungen. Erstens erhoffte man sich einen starken Anreiz für die Impfung. Zwei kostenfreie Pikse statt der regelmäßigen Kosten von bis zu 30 Euro für Tests mit Zertifikat, das würde einige Impfskeptiker überzeugen und Geimpfte in ihrer Entscheidung bestärken, so das Kalkül. Und zweitens bestand die Möglichkeit, dass Ungeimpfte, die sich nicht auf eigene Kosten testen lassen wollen, zum Teil aus dem Infektionsgeschehen genommen werden, weil sie vielerorts unter 3G-Regeln nicht mehr eingelassen werden.

Beide Hoffnungen haben sich zerstreut. Die Impfquote ist seit Abschaffung der kostenfreien Tests am 11. Oktober fast gar nicht gestiegen. Und wer einmal abendlich durch die deutsche Kultur- und Gastronomie-Landschaft gezogen ist, der weiß, dass der Corona-Status häufig nur lasch kontrolliert wird - wenn überhaupt. Der (ohnehin etwas fiese) ausschließende Effekt muss also bezweifelt werden, zumindest lässt er sich nicht quantifizieren.

Statt positiver Wirkungen hat die Abschaffung negative Folgen. Viele Ungeimpfte sind mutmaßlich einfach vom Radar verschwunden, weil sie sich seltener oder gar nicht mehr testen. Und auch Geimpfte dürften weniger häufig getestet sein, weil aufgrund der fehlenden Gratistests 2G plus (also geimpft und getestet) kaum machbar ist, sondern nur 2G. Letzteres wiederum könnte in diesem Winter zu einem echten Problem werden, wenn sich geimpfte Menschen unbeschwert treffen, es durch abnehmende Immunität aber mehr Impfdurchbrüche gibt. Kurzum: Das Ende des schnellen und kostenfreien Gangs zum Bürgertest geht einher mit einem Kontrollverlust über die Pandemie.

Was folgt daraus? Die Abschaffung der kostenfreien Tests war ein großer Fehler, der mit dem Wissen von heute schnell rückgängig gemacht werden sollte. Stattdessen muss die Devise wieder lauten: Testen, testen, testen - und zwar überall und unabhängig vom Impfstatus. Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz von Freitagmittag, zumindest für Pflegeheime wieder Gratistests für geimpfte und genesene Besucherinnen und Besucher sowie Pfleger einzuführen und diese verbindlich zu machen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auf alle möglichen Bereiche angewendet würde das zwar die Staatskasse belasten, brächte aber wieder mehr Kontrolle über das diffuse Infektionsgeschehen, was indirekt viel Geld sparen würde. Für große Veranstaltungen könnte 2G plus mit kostenfreien Tests zu einer sehr sicheren Lösung werden.

Darüber hinaus würde ein solcher Schritt anerkennen, was offensichtlich ist: Ein guter Teil der Menschen, die jetzt noch nicht geimpft sind, wird sich keinesfalls impfen lassen. Daran werden kostenpflichtige Tests auch künftig nichts ändern. Warum also effektlos spalten, wenn sich das gesellschaftliche Leben durch kostenfreie Tests für alle effektvoll (mehr Kontrolle in allen Bereichen!) etwas zusammenhalten ließe?

Einen Nachteil hätte die Entscheidung aber. Das voreilige politische Versprechen, wonach es für Geimpfte langsam wieder Normalität geben wird, weil das lästige Testen entfällt, wäre dahin. Doch wäre es nicht besser, dieses zweite Eingeständnis als geimpfte Person hinzunehmen - und dafür Lagen wie die aktuelle zu vermeiden? Es ist gut, dass in der Politik zunehmend in diese Richtung diskutiert wird.


Quelle: Zeit.de